Diskriminierung ist keine Frauensache

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Eine KOF-Studie zeigt: Männer werden benachteiligt, wenn es darum geht, Teilzeit arbeiten zu können.

Die Zahlen vom Bundesamt für Statistik (BFS) sprechen Klartext: Zurzeit gehen in der Schweiz 6 von 10 erwerbstätigen Frauen, aber nur 1,8 von 10 Männern, einer Teilzeitarbeit nach. Die Teilzeitarbeit ist somit ein typisches Merkmal der weiblichen Erwerbsarbeit. Das ist einerseits ein Nachteil für die Frauen, weil ein Teilzeitjob häufig ungesicherte Arbeitsverhältnisse bedeutet, schlechtere soziale Absicherungen (z.B. bei der Pensionskasse) sowie geringere Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Andererseits, und das kann durchaus ein Vorteil sein, bietet sie die Möglichkeit, neben der Erwerbsarbeit noch andere tun zu können, wie Kinderbetreuung, informelle Hilfeleistungen oder einfach seinen Hobbies nachgehen.

Dinge, die in der heutigen Welt auch Männer tun möchten. Nicht umsonst hat sich zum Beispiel der Diskurs vom «Mutterschaftsurlaub» zur «Elternzeit» gewandelt. Die Frage, die sich nun neu stellt, ist: Was, wenn Mann Teilzeit arbeiten möchte?

Gar nicht so leicht, antwortet darauf die KOF, die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Dort hat der Wirtschaftsforscher Daniel Kopp, der sich auf Lohnfragen, Diskriminierung im Arbeitsumfeld und Arbeitskräfte-Nachfrage spezialisiert hat, untersucht, was passiert, wenn ein Mann keine 100 Stellenprozente möchte. Er wertete Rekrutierungsentscheide auf einer Online-Arbeitsmarktplattform aus.

Das Resultat: Männer werden benachteiligt. Konkret: Ein Mann, der statt 100% nur 90% arbeiten möchte, erhält 17% weniger Stellenangebote. Bei Frauen verschlechtert sich das Angebot bei gleicher Ausgangslage lediglich um 2%.

Eine alte Gewohnheit, das wusste schon Goethe, legt sich so leicht nicht ab. Und es scheint, als kultivierten Schweizer Unternehmen noch immer Stereotype, die vorgestrig anmuten: Wenn eine Frau Teilzeit arbeite, so die weit verbreitete Annahme, habe sie daneben noch familiäre Belastungen zu meistern. Das ist edel und wird akzeptiert. Möchte der Mann hingegen eine Teilzeit-Stelle, möchte er sich einfach nicht so stark, so vorbehaltslos engagieren. Weniger edel, nicht akzeptiert.

Die «Teilzeit-Strafe»
Aber auch einfach sehr «normal». Denn Männer suchen tatsächlich noch immer deutlich seltener eine Teilzeitanstellung als Frauen. Ein Relikt aus einer Zeit, in der vieles sehr klar war: Frauen erledigen die Hausarbeit, während Männer das Geld heimbringen.

Das klingt, als träfe die Unternehmen keine Schuld. Doch Daniel Kopps Studie belegt, dass die Sache nicht so einfach ist. Der Forscher wertete während zehn Monaten jeden Klick aus, mit dem sich Personalverantwortliche auf einer Online-Plattform anonymisierte Profile, die auch Angaben zu den gewünschten Stellenprozenten enthielten, ansahen – 450’000 Suchanfragen, mehr als 200’000 Stellensuchende. Insgesamt konnte Kopp so mehr als 4 Mio. Profilaufrufe dokumentiert, also 4 Mio. Entscheidungen für oder gegen eine Stellensuchende oder einen Stellensuchenden.

Der Wunsch, Teilzeit zu arbeiten, ist sowohl für Männer als auch für Frauen ein Nachteil, wenn es darum geht, eine neue Stelle zu finden. Je kleiner das gewünschte Pensum, so die Studie, desto geringer die Kontaktwahrscheinlichkeit. Der Nachteil, den der Wunsch nach einer Teilzeitstelle mit sich bringt, ist allerdings bei Männern deutlicher als bei Frauen. Ein Mann, der 90%-Anstellung sucht, hat eine um 16% kleinere Kontaktwahrscheinlichkeit als ein Konkurrent, der die gleichen Bedingungen erfüllt, aber einfach 100% arbeiten möchte. Bei Frauen ist der Nachteil bloss knapp halb so gross. Ganz offensichtlich lassen sich also Rekrutierende auch im 21. Jahrhundert bei ihren Entscheidungen von traditionellen und zum Teil vorgestrigen Rollenbildern leiten.

Studienautor Daniel Kopp sagte der «NZZ am Sonntag» gegenüber, eine Beseitigung der «Teilzeit-Strafe» würde die Gleichstellung der Geschlechter fördern. «Wenn Männer voll auf den Beruf setzen, haben sie weniger Möglichkeiten, Aufgaben in der Familie zu übernehmen. Das verhindert eine gerechtere Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit.» Es gibt also noch viel zu tun.

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