Die Sache mit dem Rost und dem Tipp-Ex

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Was für Metallteile gilt, gilt mindestens so sehr für das menschliche Hirn: Wird es nicht gefordert, wird es träge. Es gibt aber noch mehr gute Gründe für lebenslanges Lernen.

Der Club of Rome, ein gemeinnütziger Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen, artikulierte schon 1979, dass es keinen Sinn mache, die Ausbildung von Menschen auf deren erste 18 oder 20 Jahre zu beschränken.
Noch nie war das so wahr, wie es heute ist. Auch wenn es grundsätzlich nicht neu ist, dass der Mensch vorwärts strebt: Zwar hiess das Ziel im 18. Jahrhundert noch „Erziehung“, heute spricht man eher von „Bildung“. Doch der Sinn ist der gleiche geblieben: Erwachsene helfen jüngeren Menschen dabei, vorwärts zu kommen im Leben. Man möchte à jour sein, mitreden können, fit sein für die Herausforderungen der Welt.

„Fit“ ist dabei völlig im Sinne des Evolutionstheoretikers Charles Darwin zu verstehen: Passt sich der Birkenspanner, ein sehr heller Schmetterling, der auf Birken sitzt, nicht rasch genug den durch den Russ aus den Kaminen der Industrialisierung grauer werdenden Bäumen an, sehen ihn die Vögel besser. Er wird gefressen und kann sich nicht fortpflanzen.
Ganz so krass geht es uns Menschen zum Glück nicht. Aber aussortiert werden auch wir, wenn wir uns nicht schnell genug anpassen. Unvergessen die ältere Arbeitskollegin, die vor vielen Jahren mit den neuen Telefonen mit den programmierbaren Tasten nicht klar kam und den Namen einer anderen Mitarbeiterin auf dem Digital-Display mit Tipp-Ex eliminieren wollte.
Wenn man verhindern möchte, dass man früher oder später zum alten Eisen gehört, muss man dranbleiben. An der Technik, an den Themen. Viele junge Leute lernen heute in der Schule Dinge, die sie im Job vermutlich gar nicht mehr brauchen werden. Sie haben gar keine andere Chance, als sich permanent weiterzubilden.

Das gilt für alle Menschen, aber ganz besonders für Menschen in Führungspositionen: Petronella Vervoort, Direktorin der Ernst Schmidheiny Stiftung und Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), forscht und publiziert zum Themenfeld. Sie geht davon aus, dass sich eine offene Lernhaltung auch im Führungsalltag positiv auswirke. Deshalb meint die „Lernfähigkeit von Organisationen“ wohl primär die Lernfähigkeit, die deren Führungskräfte an den Tag legen.

Dieser Tatsache tragen auch diverse Schulreformen Rechnung, so der Umbau des KV und – schon etwas länger – der Lehrplan 21. Schülerinnen und Schüler sollen nicht mehr Stoff für einzelne Fächer lernen, sondern Kompetenzen erwerben. Und diese später dazu nutzen, sich anzueignen, was sie wirklich brauchen. Wer heute jung ist, wächst mit dieser Grundhaltung auf und in seinen Job hinein. Wer älter ist, tut gut daran, dranzubleiben, um nicht eines Tages im falschen Moment mit einem Fläschchen Tip-Ex ertappt zu werden.

„Ich weiss, dass ich nichts weiss.“ Dieser Ausspruch wird oft Cicero in den Mund gelegt, stammt aber wahrscheinlicher von Platon. Egal, ob der Satz nun 2500 oder 2200 Jahre alt ist: Aktueller als heute war er noch nie.

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