Führung in Krisenzeiten

nixon

Man weiss aus früheren Krisen, dass Unternehmen mit führungsstarken Chefs Krisen besser meistern. Was bedeutet «führungsstark» in einer Krise, was sollte eine Chefin, ein Chef jetzt besonders tun bzw. sein – oder eben nicht?

Seit Juni liegen die Ergebnisse des dritten «Future Work Barometer» vor, einer Benchmark-Messung, die die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Rahmen ihrer Studien zur Arbeitswelt 4.0 durchführt und veröffentlicht. Aus der aktuellsten Studie sowie den Ergebnissen der Benchmark-Messung ist ein Ratgeber entstanden: «Führen und Kommunizieren in der Zeit von Corona/COVID-19».

Weshalb ist das überhaupt wichtig? Wird in Krisenzeiten anders geführt als in «normalen», und wenn ja, welche Anforderungen werden in solchen Momenten an Leadership gestellt?

Corona hat die Arbeitswelt in mehrfacher Hinsicht verändert: Da war die Homeoffice-Pflicht, die Teams atomisiert und die Kommunikation in den virtuellen Raum verbannt hat. Die gleiche Homeoffice-Pflicht war es, die als Turbobeschleuniger für die Digitalisierung funktioniert hat, was im Moment zwar gerade für KMU im Minimalfall lästig, im ausgeprägten Fall horrend teuer und anstrengend war. Und dann waren da noch diverse Krisen: Umsatzrückgänge mancher Branchen, persönliche Ängste, krankheitsbedingte Ausfälle, Quarantäneregelungen, oft auch Grundsatzdiskussionen über Sinn und Unsinn der Massnamen.

Viel auf einmal
Ein ziemliches Paket. Wie finden Führungskräfte nun einen sinnvollen Umgang mit all diesen Anforderungen, die zwar nicht alle neu sind, aber zumindest eine neue Dringlichkeit erhalten haben?
Der Praxisratgeber der FHNW gibt Ratschläge in drei Bereichen: Team-Kommunikation, technische Umsetzung und eben Leadership. Für Führungskräfte gibt die Broschüre drei sehr konkrete Tipps:
• Vertrauensbildende Massnahmen für die Mitarbeitenden. Damit ist gemeint, dass Information in Krisenzeiten nicht nur umfassend, sondern auch ehrlich sein soll. Und angemessen: Gerade in einer Krise wollen Mitarbeitende persönlich wahrgenommen werden. Die FHNW schreibt: «Sprechen Sie den Menschen Ihre Anerkennung, Wertschätzung und Ihr volles Vertrauen in dieser Ausnahmesituation aus» -zur Not halt per Video-Chat.
• Vertrauensbildende Massnahmen für den Kundenstamm. Auch hier ist jetzt aufrichtige Kommunikation gefragt, auch dann, wenn es um die Einschätzung der Lage geht. Gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden sei das Ziel: «Machen Sie deutlich, dass Sie und Ihr Team dabei ihr Bestes geben.»
• Ordnung ins Chaos bringen, aus Problemen Aufgaben machen. «Das gefühlte Chaos wird erträglicher, wenn Routinen und Strukturen einbezogen werden, die funktionieren», schreibt die FHNW. Probleme führen meist zu Verunsicherung, jedenfalls im ersten Moment. Gerade deshalb sollten Leader Offenheit für Improvisation und Fehlertoleranz bei der Problembewältigung signalisieren.

Namhafte Vorbilder
Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt, arbeitet als strategischer Berater für Organisationen und war früher Projektleiter McKinsey. Wolf-Bertram von Bismarck ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Bereich HR tätig und war bei Giganten wie Puma oder Fielmann für die globale Personalarbeit zuständig. Zusammen haben die beiden Wirtschafts-Profis soeben ein Buch veröffentlicht: Praxisbuch «True Leadership – Führung in Extremsituationen» (Hanser, 51.90 Franken). Auf über 300 Seiten gehen sie der Frage nach, die es die Grossen schaffen, «…so exzellent zu führen, dass alle anschliessend anerkennend nicken?». Am Schluss steht eine Antwort, die vermutlich einfacher klingt, als sie in der Umsetzung ist: «Wer in extremen Lagen führen kann, kann in jeder normalen Lage schon lange gut führen.»
Aus dieser Erkenntnis haben die beiden Autoren Menschen interviewt, die sie als «Extreme Leaders» bezeichnen: Führungspersönlichkeiten, die gemeinsam mit ihren Teams in Extremsituationen erfolgreich waren: Manager, aber auch Extremsportler, Lebensretter, ein Dirigent. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie Ruhe bewahren und weitreichende Entscheidungen treffen mussten.

Krisen machen Leader
Unterm Strich steht die Erkenntnis: Es bringt nichts, Risiken aus dem Weg zu gehen. Als Beispiel wird im Buch der Schwimmer André Wiersig erwähnt, der jeweils nur mit Badehose und Schwimmbrille, also ohne Schutzanzug, schwimmt. Er berichtet, wie er einem Schwarm Quallen nicht ausgewichen sei, sondern sich überwunden habe und mit Absicht hineingeschwommen sei, um der Begegnung den Schrecken zu nehmen. Auf die Arbeitswelt übertragen raten Hamm und von Bismarck, auch mal eine Ansage zu machen, die zuerst unpopulär klinge, und dann selber «in Führung zu gehen». Notfalls müsse man halt «auf die strikte Einhaltung des Dienstweges zu pfeifen.» Denn es sei das Handeln mit Fach- und Führungskompetenz, das eine Leader zum akzeptierten Vorgesetzten mache, von dem sich die Mitarbeitenden gerne führen lassen.
Das Fazit des Buches: Es sind Krisen und Herausforderungen, die «True Leader» erst schaffen: Eine wahre Führungskraft werde man nicht durch ein Drei-Tages-Führungsseminar oder durch Beförderung: «True Leader werden im Feuer extremer Lagen geschmiedet», schreiben die Autoren.

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