Das Jahresgespräch: Mühsame Pro-forma-Aktion oder echte Chance?

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Für viele Arbeitnehmende ist das Qualifikations- oder Jahresgespräch ein lästiger Programmpunkt, den es abzuhaken gilt. Wir erklären, wozu der Termin verwendet werden sollte, und geben Tipps zu dos und don’ts.

Quali-Gespräche kommen so sicher wie das Amen in der Kirche – auch wenn sie im Moment weniger oft face to face stattfinden, sondern eher über Zoom oder MS Teams. Im Vergleich zu früher folgen Jahres- oder Beurteilungsgespräche einem immer strengeren Protokoll. Dies hat den Vorteil, dass nichts Wesentliches vergessen geht und dass das Gespräch sinnvoll strukturiert ist. Der Nachteil eines festen Ablaufs nach Standardformular besteht allerdings darin, dass es weniger Raum für persönliche Bedürfnisse oder Themen gibt – mehr Pflicht, weniger Kür. Eine weitere Tendenz, die Prime21 beobachtet, ist, dass Beurteilungsgespräche nicht mehr einfach automatisch Ende Jahr, sondern je nach Entwicklungszyklen von Projekten und Aufträgen auch aufs Jahr verteilt stattfinden.

Wann redet man über Geld?

Wer vorhat, seine Bitte um Lohnerhöhung im Rahmen des Jahresgesprächs anzubringen, läuft Gefahr, dass das Budget dann bereits gemacht ist und keinen Spielraum mehr bietet. Viele Unternehmen haben klare Lohnzyklen – es lohnt sich also, sich schlau zu machen. Ist eine Lohnforderung angemessen und gut begründet, kann sie jederzeit, also auch ausserhalb des Jahresgesprächs, angebracht werden.

Bloss: Wie geht man das an? Prime21 weiss aus Erfahrung: Nicht jedefrau und jedermann geht gleich vor, wenn es um eine Lohnverhandlung geht – so gesehen hat das Qualifikationsgespräch auch Elemente einer Verhandlung. Folglich fällt es geübten Kommunikatoren leichter, die eigene Leistung zu präsentieren.

DOS

  1. Sich zeigen. Die Erfahrung von Prime21 zeigt: Mitarbeitende, die einen zufriedenen Eindruck machen, nicht viel fordern und ihre Arbeit still, zuverlässig und gut erledigen, fallen bei Vorgesetzen oft weniger auf als Kolleginnen und Kollegen, die (unüberhörbar) über ihre Leistung sprechen und entsprechend Anerkennung einfordern. Es kann also passieren, dass die Vorgesetzten mehr Handlungsdruck verspüren, wenn jemand dezidierter auf Geleistetes hinweist, als wenn es selbstverständlich ist. Es gilt also, den perfekten Mix zu finden: Zu viel Eigenlob stinkt natürlich, und für den Chef ungemütlich sein ist langfristig auch keine Strategie. Aber ab und an erzählen, was einem gerade gelungen ist, kann nicht schaden.
  1. Sich auf Lob und Tadel einstellen. Spielen Sie im Kopf die möglichen Szenarien durch. Überlegen Sie sich, wie Ihr Vorgesetzter Sie wohl einschätzen, worüber er mit Ihnen sprechen wird. Legen Sie sich dabei nicht auf ein Szenario fest, sondern überlegen Sie sich, wie es im besten, im schlechtesten, im «normalen» Fall laufen könnte. Entwickeln sie zu den verschiedenen Szenarien Argumentationen und offene Fragen, damit sie das Gespräch in jede Richtung aktiv steuern können. Ihre Erwartungshaltung darf dabei durchaus fordernd sein, sollte aber jederzeit realistisch bleiben.
  1. Den Knigge kennen. Das Qualifikationsgespräch findet meist nur einmal im Jahr statt. Es ist also nicht einfach ein Kaffeeplausch mehr mit der vorgesetzten Person, sondern rückt eher in die Nähe eines Bewerbungsgesprächs. Schliesslich will man ja auch bei einem Quali-Gespräch einen guten Eindruck hinterlassen. Es gilt also: Kleidung eher business-orientiert, pünktlich und gut vorbereitet erscheinen. Denn: Auch Vorgesetzte wollen und sollen Wertschätzung spüren. Dazu gehört auch, den eigenen Redeanteil zu kontrollieren: Lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden, hören Sie aktiv zu und kommunizieren Sie so, dass der Chef weiss, dass Sie nicht nur zuhören, sondern auch verstehen.
  1. Die Ziele vor Augen haben. Eine gute Vorbereitung ist wesentlich (siehe auch Punkt 1 unter «don’ts»). Welche Ziele und Forderungen haben Sie, und wie möchten Sie diese priorisieren? Nehmen Sie einen Notizzettel mit – oft geht etwas vergessen, weil ein Wort das andere gibt und man Themen überspringt. Trauen Sie sich, auf Ausgelassenes zurückzukommen. Lassen Sie sich aber auch eine fundierte Fremdeinschätzung geben. So können Sie Entwicklungspotential verorten, allfällige Schwachstellen erkennen und ausmerzen, aber auch Missverständnisse klären.
  1. Unterlagen zur Hand haben. Halten Sie das Protokoll vom letzten Jahr bzw. vom letzten Qualifikationsgespräch bereit. Hilfreich sind auch alle anderen Dokumente, die belegen können, dass Sie Ihre vereinbarten Ziele erreicht oder sogar übertroffen haben.
  1. Vorgewarnt sein. Sind Sie neu in der Firma? Fragen Sie einen Kollegen, eine Kollegin, dem oder der Sie trauen, wie der Ton im Jahresgespräch normalerweise ist, welche Themen angesprochen werden und wie die vorgesetzte Person auf Fragen, Forderungen oder gar Kritik reagiert. So können Sie sich besser darauf einstellen.

Die drei Top-Tipps von Prime21:

  1. Offene Kommunikation bringt mehr als die Faust im Sack.
  2. Wer keine Ziele hat, kann auch keine erreichen.
  3. Man kann nur einfordern, wenn man auch etwas vorweisen und entsprechend argumentieren kann.

DON’TS

  1. Unvorbereitet antraben. Wie in den meisten Business-Gesprächen ist die Vorbereitung matchentscheidend. Überlegen Sie sich im Vorfeld des Gesprächs:
  • Was habe ich im vergangenen Jahr erreicht, worauf bin ich stolz, was ist mir nicht so gut gelungen?
  • Welche Ziele habe ich mir gesetzt, sowohl im Hinblick auf Fachliches als auch auf mein berufliches und privates Leben allgemein? Wie steht es um meine Work-Life-Balance?

Formulieren Sie Antworten auf diese Fragen für sich aus. Das schafft im Gespräch Klarheit und verhindert, dass Sie sich verheddern.

  1. Wertschätzung vergessen. Jedes Feedbackgespräch soll neben der Möglichkeit zur Aussprache auch für die Beziehungspflege und den Ausdruck von Wertschätzung da sein. Und zwar in beide Richtungen.
  1. Ungerechtigkeiten auf sich sitzen lassen. Falls die oder der HR-Zuständige das Qualifikationsgespräch mit Ihnen führt, ist der Wissensstand dieser jeweiligen Person ausschlaggebend. Sollten wichtige Informationen fehlen oder im Gespräch nicht vorkommen, kann es helfen, den Vorgesetzten beizuziehen. Schwieriger wird es, wenn man das Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten führt und sich ungerecht behandelt fühlt. Der Beizug der in der Unternehmenshierarchie nächsthöheren Person kann das Klima vergiften oder eine Eskalation zur Folge haben. Überlegen Sie sich deshalb gut, ob sich der Schritt lohnt. Schlafen Sie, wenn Sie im ersten Moment wütend oder sehr enttäuscht sind, mindestens einmal drüber.
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